Pulse of Love - Big Girl in Love

Dieses Buch ist aktuell nicht mehr erhältlich. Eine überarbeitete Neuauflage erscheint voraussichtlich im Oktober 2022.

Mollig, weiblich, vierzig – sucht!


Freddie, vollendete Weiblichkeit mit einem Hang zum Übergewicht, will endlich nicht immer nur als Kumpel wahrgenommen werden. Um bei ihrem Traummann Joe zu landen, holt sie sich Unterstützung bei einem Callboy. Da kann doch nichts mehr schiefgehen!
Als sie jedoch vor der Biker-Kneipe steht, überkommen sie Zweifel: Macht sie sich womöglich lächerlich vor den Jungs und verliert am Ende alles? Ist Joe das wert?

Leseprobe

 

 Ab morgen mache ich Diät, dachte Friederike, als sie die schweren Einkaufstaschen außer Atem auf dem Küchenstuhl in ihrer Wohnung in der dritten Etage absetzte und herzhaft in den Erdnuss-Schokoriegel biss, von dem sie einen Fünfer-Pack mitgebracht hatte. Die Süße des Karamells verband sich in ihrem Mund mit der Cremigkeit der Schokolade zu einer köstlichen Mischung, und das knackende Geräusch, das beim Zerbeißen der leicht salzigen Erdnüsse entstand, befriedigte ihre Lust auf etwas Herzhaftes. Mit geschlossenen Augen spürte sie dem Geschmack nach. Gaumensex, schoss es ihr durch den Kopf. Wo hatte sie das noch zuletzt gelesen?

Warm und geschmeidig schlängelte sich in diesem Moment Kater Isidor um ihre Beine, rieb sein schwarzes Köpfchen mit einem Schnurren an der Jeans und unterbrach so nicht nur Friederikes Gedankengang, sondern machte ihr unmissverständlich klar, dass er ihre Aufmerksamkeit sowie Futter begehrte. Friederike legte den Schokoriegel auf dem Tisch ab und kramte in der Einkaufstasche nach einem Schälchen Katzenfutter. Lachs mit Krabben in feiner Sauce stand darauf. Friederike riss den Metalldeckel des Schälchens auf. Das Geräusch quittierte der Kater mit vor Aufregung hochgestelltem, vibrierendem Schwanz und begehrlichem Miau, während er um die Beine seines Frauchens herumstrich. Kaum hatte sie den Inhalt in den Futternapf entleert, machte Isidor sich über die Mahlzeit her. Friederike kehrte zu ihrem Schokoriegel zurück und verstaute den Inhalt der Einkaufstaschen im Kühl- und Vorratsschrank.

Lachs mit Krabben in feiner Sauce, las sie die Aufschrift des Futterdeckels noch einmal, bevor sie die Verpackung entsorgte. Auf ein Lachsfilet mit feiner Sauce hätte sie auch Lust. Dazu Kartoffeln mit Butter und feingehackter Petersilie – und zum Dessert eine Vanillecreme. Bei dem Gedanken daran lief ihr das Wasser im Mund zusammen ... Aber heute blieb die Küche kalt, denn es war Freitag. Und Freitag hieß: Treffen mit Joe und den anderen Jungs im Two Wheels, einer Biker-Kneipe, die berühmt für ihre Burger war – nicht jedoch für Lachsfilet mit Petersilienkartoffeln.

Jungs war natürlich eine Untertreibung, denn genau wie sie selbst hatten die männlichen Mitglieder der Freitagabendrunde die vierzig bereits überschritten und waren allesamt gestandene Männer. Dennoch nannte Friederike sie für sich stets die Jungs. Im Grunde aber interessierte sie aus der ganzen Motorradclique, in der sie die einzige Frau war, nur einer: Joe. Eigentlich Joachim. Aber so nannte ihn niemand. Genau wie in der Gruppe zu ihr alle nur Freddie sagten. Joe war Bauingenieur von Beruf, aber das war nebensächlich. Er war nämlich auch der Keyboarder der Band White Rabbit – und Friederike hatte nun mal eine Schwäche für Rockmusiker. Noch dazu, wenn sie Klavier spielen konnten! Kein Wunder also, dass sie ihren Spitznamen Freddie der Schwärmerei für einen gleichnamigen Rockstar verdankte.

 Friederike sah auf die Uhr. In knapp zwei Stunden wollte sie im Two Wheels sein – und die Fahrt dorthin dauerte mindestens eine halbe Stunde. Einige der Jungs trafen sich direkt nach der Arbeit in der Biker-Kneipe, aber Joe war nie vor halb acht im Two Wheels. Deswegen richtete Friederike es zumeist so ein, dass sie nur wenige Minuten nach Joachim ankam. Es wurde höchste Zeit, sich fertigzumachen. Mit dem letzten Bissen des Schokoriegels im Mund ging sie ins Bad, zog sich aus, kletterte in die Badewanne und zog den Duschvorhang zu.

 Kurz darauf stand sie abgetrocknet und mit frischgewaschenen Haaren in ihrem Schlafzimmer und hielt die Luft an, als sie den Reißverschluss der schwarzen Lederhose zuzog. Verdammt! Sie musste unbedingt ein paar Kilo abspecken, denn für eine neue Hose hatte sie einfach kein Geld. Morgen würde sie mit der Diät anfangen. Morgen. Aber nicht mehr heute.

 

Bekleidet mit schwarzem Pulli, Lederjacke und mit Helm unter dem Arm ging sie die Treppen hinunter und zu ihrer schwarz-grünen Kawasaki, die auf dem Gehweg vor dem Haus auf sie wartete. Sie stülpte sich den Helm über den Rotschopf, schwang ein Bein über die Sitzbank und drückte auf die Zündung. Mit einem Knattern, das Musik in Friederikes Ohren war, sprang die Maschine an. Sachte fuhr sie vom Bürgersteig herunter, bog auf die Straße - und gab Gas. Fünfundzwanzig Minuten später zog sie sich den Helm wieder vom Kopf und schüttelte die rotgefärbten, schulterlangen Haare, bevor sie das Two Wheels betrat.

 Drinnen war das Licht gedämpft, doch Friederike brauchte nicht viel Licht, um sich zurechtzufinden. In dem Halbdunkel sah sie die sechs Jungs an dem schweren Eichentisch in der Ecke sitzen - sie schienen über etwas zu diskutieren und deuteten mit den Fingern auf eine Landkarte. Zu den kratzigen Klängen der Stimme aus dem Lautsprecher ging sie zielstrebig auf die Gruppe zu und sang im Geiste mit: «... those were the best days of my life, ... oh yeah, ... back in the Summer of 69.»­­

 Mit einem Klopfen auf die Tischplatte und einem «’N Abend» in die Runde begrüßte Friederike die bereits Anwesenden: Matthes, Lutz, Chris, Hannes und Joe.

 «Hallo, Lieblingsfrau», hieß Joe sie willkommen und zog einen Stuhl vom Tisch, damit sie sich hinsetzen konnte.

 Wie immer musste Friederike angesichts von Joes Spruch lächeln. Sie wusste, es war nur eine Floskel, eine Art Ritual zwischen ihr und ihm, das nichts weiter zu bedeuten hatte. Schließlich war es nicht schwer, die Lieblingsfrau zu sein, wenn man das einzige weibliche Wesen in einer Männergruppe war. Insgeheim aber wünschte sie sich oft, es würde mehr hinter Joes Worten stecken.

 «Wo ist Manni?», fragte sie, als sie sich auf den Stuhl neben Joe setzte.

 «Liegt mit Grippe im Bett», antwortete Chris. «Wir planen gerade den Pfingstausflug. Bist du dabei?»

 Der viertägige Ausflug an Pfingsten war das Highlight des Jahres, das sie sich nie entgehen ließ. «Na klar, an was habt ihr gedacht?»

 Matthes deutete mit dem Finger auf die Karte. «Wir wollten durch das Kylltal Richtung Himmerod, da, wo das Zisterzienserkloster ist. Kurzer Zwischenstopp, Kaffeepause und dann weiter Richtung Manderscheid, durch die Vulkaneifel.»

 «Aber nicht schon wieder zum Nürburgring», warf sie ein. «Da waren wir schon zwei Mal.» Tatsächlich machte es Friederike nichts aus, mehrmals die gleiche Strecke zu fahren. Insbesondere dann nicht, wenn die Landschaft so reizvoll war wie auf dieser Tour. Aber Wettrennen auf dem Nürburgring waren nun mal nicht ihr Ding. Sie genoss es, mit den Jungs in einer Reihe zu fahren, die Landschaft anzuschauen und sich auf kleinen Zwischenstopps, wie dem Kloster oder dem Café Ahrwind, mit anderen Bikern auszutauschen – nicht jedoch mit halsbrecherischer Geschwindigkeit hinter den anderen herzujagen.

 Lutz und Chris warfen sich einen Blick zu, den sie nicht deuten konnte, und grinsten.

 «Jetzt stell dich nicht wie ein Mädchen an, Freddie», maulte Chris. «Du bist doch sonst auch nicht so zimperlich.»

 Auch wenn es nicht so gemeint war, piesackte Chris’ Bemerkung sie. Einerseits genoss Friederike es, von den Jungs als eine der ihren angesehen zu werden, aber andererseits machte sie das noch lange nicht zu einem Kerl. Sie war immer noch eine Frau und wollte auch als solche wahrgenommen werden. Ihr lag schon eine passende Antwort auf den Lippen, als Joe sich zu Wort meldete: «Lass dich von den beiden Spinnern nicht verschaukeln, Freddie.» Er blickte zu ihnen hinüber, und als Friederike seinem Blick folgte, zuckte es um die Mundwinkel der beiden. «Wir fahren nicht zum Nürburgring. Die beiden haben gewettet, dass du dich mit Händen und Füßen dagegen wehren wirst und wollten dich ein bisschen provo...» In diesem Moment flog etwas über den Tisch in Joes Richtung, verfehlte ihn aber, weil er dem Kronkorken rechtzeitig auswich.

 «Joe, du mieser Verräter!», sagte Lutz mit gespielt beleidigtem Unterton und fing an zu lachen.

 Friederike konnte nicht anders, als kopfschüttelnd in sein Lachen einzustimmen. Manchmal glaubte sie, sie hätte es mit einer Horde Halbstarker zu tun und nicht mit erwachsenen Männern. Nur Joe war nicht wie die anderen. Er hatte noch nie eine Bemerkung gemacht, bei der sie sich herabgesetzt oder nicht für voll genommen fühlt hätte, weil sie eine Frau war. Joe war immer respektvoll und stand ihr zur Seite – und genau das war der Grund, warum sie schon so lange in ihn verschossen war. Als sie sich wieder beruhigt hatte, sah sie zu, wie er einen Schluck Bier trank und beobachtete dabei das Auf- und Abtanzen des Adamsapfels in seiner Kehle. Männlich sah es aus, fand sie. Und sexy. Genau wie die sehnigen Unterarme, auf denen sich bläuliche Adern abzeichneten. Seine Arme waren, egal ob Winter oder Sommer, braungebrannt, denn Joes Beruf brachte es mit sich, dass er viel draußen zu tun hatte. Wind und Wetter hatten seine Haut gegerbt. Beim Anblick seiner kräftigen Hände dachte sie stets daran, wie es wohl wäre, wenn diese Hände über ihren Körper wanderten, ihn erkundeten, ihre Brüste zärtlich streichelten oder mit festem Griff in ihr Haar fassten, während Joe sie küsste. Unwillkürlich schluckte sie trocken, versuchte das Kribbeln, das ihren Körper bei dem Gedankenkino erfasst hatte, zu ignorieren und drehte sich suchend nach dem Kellner um.